2022: MENSCH UND TECHNIK


Vom 24. bis 28.08.2022 fand zum dritten Mal die interdisziplinäre Sommerakademie fideliter intellegens statt. Veranstaltungsort war das Benediktinerstift Ottobeuren, wo sich katholische Doktoranden aus Deutschland, Österreich und der Schweiz fünf Tage lang zum Thema „Mensch und Technik“ austauschten und am von P. Winfried Schwab OSB geleiteten geistlichen Programm teilnahmen. Organisiert wurde die Veranstaltung über den Verein fideliter intellegens e.V. und maßgeblich von Dr. Thomas Kieslinger und Reinhild E. Bues geleitet.

Das bewusst sehr breit gehaltene Thema bot allen Teilnehmern die Chance, ausgewählte Schwerpunkte ihrer aktuellen Forschung in kleiner Runde zu präsentieren und diskutieren zu lassen. Gleichzeitig befeuerte die heterogene Zusammensetzung der Gruppe und der interdisziplinäre Ansatz den regen und fruchtbaren Austausch untereinander. Insbesondere die vielseitige Konkretisierung des Themas „Mensch und Technik“ in den verschiedenen wissenschaftlichen Bereichen führte zur ausführlichen Diskussion technischer, ethischer, philosophischer und wirtschaftlicher Zusammenhänge.

Der Begrüßung durch die Veranstalter folge ein einleitender Vortrag, der sich historisch und soziologisch mit „Mensch und Technik“ auseinandersetzte. mit einem Schwerpunkt auf den Ausführungen Arnold Gehlens zu diesen Fragestellungen. Die Geschichte der Menschheit und ihrer soziologischen Veränderungen die auch als eine Geschichte der technischen Entwicklungen gelesen werden kann konnte dabei als eine Geschichte verstanden werden, in der der Mensch zwar selbst als Erfinder der Technik diese einbringt, selbst jedoch wiederum in seinem menschlichen Zusammenleben maßgeblich durch diese bestimmt wird.

Als erster Teilnehmer präsentierte Johannes Ketzer seine Forschung zum Thema Dilemmaentscheidungen beim Autonomen Fahren. Er führte überzeugend die Problemstellungen vor, deren juristische Klärung für die Zulassung autonomen Fahrens notwendig ist. Neben den juristischen Lösungsanätzen präsentierte er dabei auch seinen Ansatz, die thomistisch-.scholastische rechtliche Unterscheidungstheorie in die Einordnung solcher Dilemmafälle einzubeziehen.

Nach einer dadurch angestoßenen Diskussion über die ethischen, aber auch gesellschaftlichen Implikationen dieser Fragestellung vertiefte Sven Müller das Thema der Anwendung Künstlicher Intelligenz im alltäglichen Lebensbereich mit einer Auseinandersetzung zum Thema der Künstlichen Intelligenz in der IT-Sicherheit. Er stellte dabei sowohl die Chancen dieser Innovatinen, als auch deren Gefahren heraus und führte die Diskussion weiter in eine Diskussion über die hypothetische Situation der Bewusstseinsentwicklung von KI und deren möglicher Folgen für die Menschheit.

Der dritte Beitrag zur Tagung beschäftigte sich mit der Frage des Aktionärsaktivismus amerikanischer Universitäten am Fallbeispiel der Universität Harvard und der Harvard Management Company. Florian König-Hollerwöger stellte historisch und wirtschaftlich die Einmischung amerikanischer Universitäten in die unternehmerischen Aktivitäten der Unternehmen dar, an denen sie beteiligt sind. Er legte dabei insbesondere auch einen Schwerpunkt auf die Veränderungen des Aktionärsaktivismus durch die technischen Neuerungen am Kapitalmarkt.

Den Abschluss des wissenschaftlichen Teils am Donnertag bildete das mittlerweile schon traditionelle philosophischen Roundtable-Gespräch mit Abt Johannes Schaber OSB. Dieser führte die Verbindung von Mensch und Technik hinsichtlich der Bedeutung für das monastische Leben aus, indem er téchne im aristotelischen Sinne als Fertigkeit verstehend das benediktinische Leben als Erlernen der téchne der Herzensbildung darstellte. Der Ziel jeder Art des Erlernens von Fertigkeiten müsse dabei immer der Mensch und die Seele des Menschen sein.

Das wissenschaftliche Programm am Freitag begann mit einer agrarwissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Thema. Jonathan Heil präsentierte seinen Beitrag an der Erforschung der Einsetzung von KI in verschiedenen Bereichen der landwirtschaftlichen Arbeit. Die Breite der Einsetzbarkeit dieser stieß dabei ebenso wie die Begrenzung der technischen und rechtlichen Möglichkeiten eine rege Diskussion an und führte damit den am Freitag Vormittag schon begonnene intensiven Austausch zur Zukunft der Künstlichen Intelligenz und deren Einfluss auf die Gesellschaft weiter.

Eine Weitung des Technikbegriffs sowie dessen wissenschaftlicher Bedeutung wurde im Vortrag von Elena Luckard geschaffen, die einen historischen Vortrag zur Verwendung und Rolle von Technik und technischen Instrumenten in der China- und Südamerika Mission der Jesuiten im 17. und 18. Jahrhundert hielt.

Während schon in der agrarwissenschaftlichen Perspektive die Ambivalenz zwischen menschlicher Abhängigkeit von der Umwelt, seiner technischen Möglichkeiten zur Manipulation derselben und der Gefahr einer neuen Abhängigkeit von Umwelt und Mensch von der Technik diskutiert wurde, wurde in der dann folgenden Diskussion die Notwendigkeit der Zentralität des Menschen wiederum in den Fokus gerückt.

Mit einem unterhaltsamen Abendvortrag über den Bellifortis des Konrad Keyeser und dessen skurrilen, kreativen und fantasievollen Darstellungen mittelalterlicher Kriegsmaschinerien beendete Dr. Thomas Kieslinger den wissenschaftlichen Teil des Freitagsprogramms.

Der Samstag begann mit einem juristischen  Blick auf moderne Zahlungsintermediäre von Moritz Raiser. Dabei wurde unter anderem die Frage diskutiert, inwiefern digiale Techniken wie Paypal oder Sofortüberweisung Einfluss nehmen auf das Kaufverhalten des Menschen und welche rechtliche Implikationen mit diesen Fragen verbunden sind.

Der Mensch als Zentrum der Technik war auch der Ausgang für Vortrag und Präsentation von Alexander Lunin. Der Einsatz von Motion-Capture Technology bei der Auswertung von Videomaterialien in Firmen mit dem Ziel der ergonomischen Verbesserung von Arbeitsabläufen wurde nicht nur technisch dargestellt, sondern insbesondere auch unter dem Aspekt der Balance zwischen Sicherheit und Freiheit eingehend diskutiert.

Nachdem „Mensch und Technik“ drei Tage lang intensiv unter verschiedenen wissenschaftlichen Gesichtspunkten betrachtet und diskutiert wurden, beendete Frau Dr. Dr. Karolina Vocke das wissenschaftliche Programm mit einem kunsthistorischen Durchgang durch die Geschichte der technischen Entwicklungen in der Kunst. Sie stellte dabei eindrücklich dar, wie Schöpfung, Wahrnehmung und Wirklichkeit als Paradigmen verwendet werden können, um die revolutionären Umstürze in der Kunst zu verstehen, die zum Teil durch technische Entwicklungen angestoßen wurden und zum Teil selbst Anstoß für Neuerungen in der künstlerischen Technik wurden. 

Die angeregte Diskussion, die dem Abschlussvortrag folgte, führte die Diskussionen der Akademie zusammen und machte schließlich die Ambivalenz deutlich, die mit Technik verbunden ist, da sie einerseits als notwenige und bewegende Kraft der Menschheit verstanden wird, andererseits jedoch immer die Gefahr besteht, dass die Technik nicht mehr Unterstützung des Menschen ist, sondern der Mensch zum Diener der Technik wird. Gerade die Kunst spielt dabei als Ausdruck urmenschlicher Sehnsüchte eine grundlegende Rolle.

Neben dem wissenschaftlichen Austausch stellt das geistliche Programm das zweite wichtige Standbein der interdisziplinären Sommerakademie fideliter intellegens dar. P. Winfried Schwab OSB feierte mit den Teilnehmern täglich die Heilige Messe. Überdies war die Teilnahme am Chorgebet der Mönche, als auch Zeit zur persönlichen Betrachtung und zur Beichte grundlegender Teil des Programms.

Ausgehend von ausgewählten Kapiteln der Regula Benedicti gab Pater Winfried Schwab OSB profunde geistliche Impulse, wobei ein besonderer Schwerpunkt darauf gelegt wurde, wie monastische Leitsätze im persönlichen und beruflichen Leben der Teilnehmer integriert werden können. Am Samstag, den 28.08.2021 fand außerdem eine Wallfahrt mit Heiliger Messe und Rosenkranz nach St. Maria Eldern statt.